Wie funktionieren Quantencomputer und was ist dran am Quantensprung?
1. Was versprechen Quantencomputer?
Mit Quantencomputern sollen zukünftig gigantische Leistungs- und Anwendungssprünge möglich sein. Ein wichtiger Durchbruch gelang beispielsweise 2019 mit Googles Quantenrechner Sycamore, als dieser in nur 200 Sekunden eine Berechnung durchführte, für die der derzeit weltbeste Supercomputer von IBM rund 10.000 Jahre benötigt hätte.1 Erfolge wie dieser heizen die Erwartungen und Hoffnungen rund um Quantencomputer immer weiter an. Gleichzeitig stößt die Entwicklung herkömmlicher Computer immer mehr an ihre Grenzen. Chips und Teilchen sind mittlerweile so klein und schnell, dass sie an die Limits des physikalisch Möglichen kommen. Entsprechend diskutieren Experten heiß über einen Paradigmenwechsel in der Computerindustrie und stecken große Hoffnungen in die Entwicklung von Quantencomputern.
Gerade in Industrien, die auf die effektive Verarbeitung großer Datenmengen angewiesen sind, sind die Erwartungen hoch – von der Finanz- und Technologiebranche über Energieversorger und Logistikunternehmen bis hin zu Chemie- und Pharmafirmen. Quantentechnologie soll hier helfen, wichtige Themen wie Big Data, künstliche Intelligenz, Machine Learning, Optimierungsalgorithmen und ausgefeilte Simulationen anzukurbeln und die enormen Rechenleistungen zu bewältigen, die damit verbunden sind. Mit anderen Worten: Wenn Quantencomputer halten, was sie versprechen, haben sie das Potenzial, die Datenverarbeitung zu revolutionieren, und eröffnen Firmen damit nie dagewesene Möglichkeiten, von der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse und -modelle zu profitieren.
Umso wichtiger ist es für Entscheidungsträger in Unternehmen, die Technologie hinter Quantencomputern ausreichend zu verstehen, um den richtigen Zeitpunkt abzupassen und passende Anwendungsfelder zu identifizieren. Es steht viel auf dem Spiel, denn jede falsche Einschätzung kann das Unternehmen viele Millionen, wenn nicht Milliarden Euro kosten und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig beeinflussen.
Deshalb wollen wir betrachten, wie Quantenrechner überhaupt funktionieren und wo die Technologie aktuell steht.
2. Wie funktionieren Quantencomputer?
Das vielleicht Wichtigste gleich vorweg – Quantencomputer sind nicht einfach nur sehr viel rechenstärkere Computer, es handelt sich dabei um eine völlig neue Technologie mit ihren eigenen Anforderungen, Vor- und Nachteilen. Vergleichen lässt sich das mit der Erfindung der Glühlampe. Auch sie war keine einfache Weiterentwicklung der vorher verwendeten Öl- und Gaslaternen, sondern basiert auf einer völlig neuen Technologie – Elektrizität.
Ähnlich verhält es sich bei Computern und Quantencomputern. Während herkömmliche Rechner binäre Bits verwenden, die entweder eine „1“ oder eine „0“ repräsentieren, verwenden Quantencomputer sogenannte Qubits (kurz für Quanten-Bits). Hierzu werden Quantenteilchen wie zum Beispiel Photonen, Ionen oder Elektronen so manipuliert, dass sie eine Superposition erreichen. Vorstellen kann man sich das wie eine Münze, die sich dreht. Sobald sie angehalten wird, gibt sie ein klares Ergebnis – Kopf oder Zahl. Solange sie sich aber dreht, befindet sie sich in einem Zwischenzustand, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, auf Kopf oder Zahl zu landen. Was es aber wirklich ist, sieht man erst, wenn die Münze gestoppt ist.
Genauso ist es beim Qubit, das in der Superposition einen Zustand zwischen „1“ und „0“ einnehmen kann, der sich als Wahrscheinlichkeit ausdrückt. Sobald aber der Zustand des Teilchens gemessen wird, endet die Superposition und das Teilchen Qubit nimmt einen Wert von entweder „1“ oder „0“ ein. Das Besondere an Quantencomputern ist, dass sie sich die Superposition der Qubits zunutze machen und die Qubits in diesem Zwischenzustand miteinander interagieren lassen, um Berechnungen durchzuführen. Da nun jedes Qubit in Superposition nicht nur einen festen Wert, sondern eine ganze Bandbreite an möglichen Werten zwischen „1“ und „0“ darstellt, vervielfacht sich die Anzahl der insgesamt darstellbaren Zustände mit jedem weiteren zugeschalteten Qubit in der Berechnung. Die Anzahl der Möglichkeiten wächst also exponentiell an, sodass mit nur 300 Qubit 2^300 Zustände möglich sind. Eine Anzahl, die so gewaltig ist, dass sie die Menge aller im Universum bestehenden Teilchen übersteigt – mit einem herkömmlichen Computer völlig undenkbar.
Um nun aber ein Ergebnis zu erhalten, wird am Ende der Berechnung die Superposition der Teilchen aufgelöst, sodass sie bei der Messung einen klaren Wert annehmen. Dabei ist zu beachten, dass dieses Ergebnis immer probabilistisch ist. Das bedeutet, das jeweilige Ergebnis basiert auf Wahrscheinlichkeiten und wird daher jedes Mal ein wenig anders ausfallen. Dem tatsächlichen Wert nähert man sich dann, indem die Berechnung mehrfach durchgeführt wird, ähnlich wie bei einer Umfrage, die dem tatsächlichen Wert immer näher kommt, je mehr Menschen befragt werden.
So weit die Theorie – die Frage, die für Entscheidungsträger aber wirklich zählt, ist, wie weit Quantencomputer auch in der Praxis sind.
3. Wo stehen Quantencomputer heute?
Um den praktischen Nutzen der Quantentechnologie einzuschätzen, müssen Unternehmen vor allem zwei Aspekte unter die Lupe nehmen:
Technische Herausforderungen:
Jede neue Technologie muss zunächst einmal eine Reihe technischer Herausforderungen überkommen, damit sie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch nutzbar ist. Für Quantencomputer sind es vor allem die folgenden drei
Betrieb:
Die Funktionsweise von Quantencomputern hängt von der Fähigkeit ab, Qubits gezielt in eine Superposition zu bringen und lange genug in diesem Zustand zu halten, um eine Berechnung durchzuführen. Dabei ist das Hauptproblem, dass es sich bei der Superposition um einen höchst instabilen Zustand handelt. Wie in unserem Beispiel mit der Münze, die auf ihrem Rand kreist, reicht auch hier schon die kleinste Störung, um den Zustand zu beenden. Im Falle eines Qubits reichen dazu schon geringste Energiemengen, weshalb die Chips auf unter −273 °C heruntergekühlt werden – eine Temperatur nahe dem physikalischen Nullpunkt. Gleichzeitig muss der Computer vor allen äußeren Einflüssen wie zum Beispiel elektromagnetischen Feldern und Erschütterungen geschützt Das ist sowohl äußerst aufwendig als auch kostspielig, sodass Quantencomputer nur an speziellen Orten gebaut und betrieben werden können. Und selbst dort lassen sich Superpositionen nur für Sekundenbruchteile halten und sind immer noch sehr fehleranfällig. Für die meisten Unternehmen bedeutet das, dass es eher unrealistisch ist, selbst einen Quantencomputer zu betreiben. Glücklicherweise gibt es aber schon jetzt einige Anbieter, welche die Rechenleistung von Quantencomputern online über die Cloud anbieten.
Programmierung:
Die nächste Herausforderung besteht in der Programmierung von Quantencomputern. Da sie den Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik folgen, erfordert das grundlegend andere Programmierfähigkeiten als bei herkömmlichen Computern. Es bedarf also eines tiefen Verständnisses der Materie, um das Zusammenspiel von Qubits in Superposition so zu steuern, dass damit bestimmte Berechnungen ausgeführt werden können. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Anwendungen meist noch sehr beschränkt sind, die von Dienstleistern für Quanten-Rechenleistung angeboten werden, und sich nicht ansatzweise mit dem Leistungsspektrum vergleichen lassen, das herkömmliche Computer bieten. Experten schätzen derzeit, dass wohl noch mindestens zehn Jahre vergehen werden, bis Quantencomputer frei verwendet und programmiert werden können.2
Leistungsfähigkeit:
Die Rechenkapazität von Quantenrechnern hängt von der Anzahl der verfügbaren Qubits ab und von der Fähigkeit, diese gezielt miteinander interagieren zu lassen. Noch sind solche Systeme relativ limitiert und fehleranfällig und umfassen nur wenige Dutzend Qubits. Zwar gibt es erste Achtungserfolge, wie das am Anfang des Artikels beschriebene Beispiel von Googles Quantenrechner Sycamore. Hier wurde erstmals nachgewiesen, dass für bestimmte Aufgaben ein Quantencomputer die Leistungsfähigkeit von traditionellen Computern übertreffen kann. Unter Experten herrscht noch Uneinigkeit, wie viele Qubits tatsächlich notwendig sind, um erste simple Probleme mit praktischem Nutzen zu lösen. Entsprechend ist auch unklar, wie weit wir von dem Punkt entfernt sind, an dem die Leistungsfähigkeit von Quantencomputern für eine breite kommerzielle Nutzung ausreicht.
Praktische Anwendung:
Selbst wenn die technischen Herausforderungen gemeistert sind, ist eine neue Technologie für Unternehmen erst dann wertvoll, wenn sie klare Anwendungsmöglichkeiten bietet, um die Effektivität zu steigern. Diese können zum Beispiel in Form von Kostenersparnissen, aber auch der Verbesserung interner Prozesse oder externer Produkte und Dienstleistungen kommen. Gerade zu Anfang herrscht häufig noch viel Unklarheit darüber, wo und wie eine Technologie eingesetzt werden kann, um den größten praktischen Nutzen zu erzielen. Daher ist diese Phase mit erheblichem Risiko und Trial and Error verbunden. Dafür bietet sie Pionierfirmen aber auch die Chance, einen First Mover Advantage zu erlangen, der für andere Unternehmen nur schwer einzuholen ist. Je länger eine Technologie also am Markt ist, desto konkreter lässt sich einschätzen, welchen Nutzwert sie tatsächlich hat.
Hype-Zyklus:
Ein äußerst hilfreiches Werkzeug, um den aktuellen Status einer neuen Technologie einzuschätzen, ist der vom amerikanischen Marktforschungsunternehmen Gartner entwickelte Hype-Zyklus. Dieser zeigt, wie viel Aufmerksamkeit einer Innovation im Verlauf der Zeit zuteilwird. Typischerweise durchläuft diese Technologie dann vier Phasen, beginnend mit dem Gipfel der überzogenen Erwartungen. Zu dieser frühen Phase ist meist wenig über den wahren Nutzwert einer Technologie bekannt, die hautsächlich von einem Hype aufgeblasener Hoffnungen und Spekulationen getragen wird. Laut der aktuellsten Einschätzung befinden sich Quantencomputer gerade am Gipfel der überzogenen Erwartungen.3 Daher ist anzunehmen, dass im aktuellen Hype der Nutzen der Technologie überoptimistisch bewertet wird, bevor über das Tal der Enttäuschung und den Pfad der Erleuchtung das Plateau der Produktivität erreicht wird. Entsprechend ist zu erwarten, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis die Anwendungsmöglichkeiten für Quantencomputer ausgelotet sind und sich Erwartungen und der wahre Nutzen auf einem Level eingependelt haben.
Quantenvorsprung:
Als Quantenvorsprung oder Quantum Advantage wird der praktische Nachweis bezeichnet, dass ein Quantencomputer klassische Superrechner bei der Lösung eines realen Problems schlagen kann. Trotz erheblicher Fortschritte und Erfolge bei der Lösung künstlicher Probleme in den letzten Jahren ist dieser Quantenvorsprung noch nicht erreicht.4 Dass es dazu kommt, ist wohl nur eine Frage der Zeit, trotzdem zeigt sich daran, dass wir von der praktischen Nutzung von Quantencomputern immer noch einen Schritt entfernt sind.
Hybridlösungen:
In der Praxis benutzen die meisten Quantumanbieter daher sogenannte Hybridlösungen, die klassisches Machine Learning mit Berechnungen von Quantencomputern verbinden. Die traditionellen Computer übernehmen dabei Teile der Berechnung, für die Quantencomputer noch nicht ausgelegt sind, und helfen dabei, Fehler und Ungenauigkeiten aufzudecken und zu kontrollieren. Die Quantencomputer übernehmen dann bei Problemen, die sehr viele Möglichkeiten beinhalten und zu denen nicht viele Daten verfügbar sind. Solche Lösungen finden beispielsweise in der Industrie erste Anwendungen, wenn es darum geht, den Ausfall von Turbinen vorherzusagen.
Expertin
Nicole Ehrhardt – Partner & Business Director
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Quellen:
- (www.nature.com, 2019)
- (Spectrum, 2019)
- (www.gartner.com, 2020)
- (towardsdatascience, 2019)