Wettbewerbs­fähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus

June 20, 2022

Inhalt

Die Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Krankenaus ändern sich!

Die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser verändern sich durch technologische, patientenspezifische und politische Einflüsse fortlaufend – und werden einen Weg zur erhöhten Wettbewerbsfähigkeit mit einer damit einhergehenden Wirtschaftlichkeit notwendig machen. Die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ist Aufgabe der Krankenhäuser, denn damit können sie ihre Zukunft selbst gestalten. Der Gesetzgeber wiederum sollte zukünftig intensiver berücksichtigen, dass Gesundheit und Wohlbefinden durch leistungsfähige Versorger eine eklatant wichtige Stütze gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität sind und leistungsfähige Einrichtungen folglich keine Kostenverursacher sind. Dies zeigen internationale Studien. Im Folgenden wird eine Übersicht über sechs Handlungsfelder aufgezeigt, die in der Entwicklung geeigneter Maßnahmen für wettbewerbsfähige Krankenhäuser wegweisend sein werden.

Der umfassende Wandel bei Patienten mit zukünftig digitalen Health@Home-Lösungen mit sensorischen Systemen für Prävention, Monitoring, Diagnose und Beratung sowie der eklatante Personalmangel und sich verändernde intersektorale Leistungen, Prozesse, Strukturen und Technologien werden in Krankenhäusern dazu führen, dass sich die Häuser innerhalb einer sich neu aufstellenden Gesundheitslandschaft stark positionieren müssen, um die Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses sicherzustellen: regional, national und international – für Patienten, Personal, Einweiser und Belegärzte.

Ob ein Krankenhaus wettbewerbsfähig ist, entscheidet sich nicht nur über das Kriterium Wirtschaftlichkeit, auch wenn es unbestritten wichtig ist. Wenn Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus jedoch einseitig mit Kostendruck, Sparmaßnahmen und überbordenden Schichtstunden durch das Personal verbunden wird, setzt dieses Kriterium die Zukunft einer leistungsfähigen und erfolgreichen Versorgung aufs Spiel. Eine gute Aussage traf hierzu Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing auf einer Veranstaltung: „Solange betriebswirtschaftliches Denken dazu dient, eine indizierte Maßnahme möglichst wirtschaftlich und effektiv umzusetzen, ist es angebracht und erforderlich. Der Rubikon ist überschritten, wenn dieses Denken die medizinische Indikationsstellung beeinflusst, um eine Erlössteigerung zu erreichen.“1

Eine hohe Wettbewerbsfähigkeit können Kliniken sicherstellen, wenn sich Einweiser, Belegärzte, Patienten (Eingewiesene und Selbsteinweiser) sowie bestehende und potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ein Krankenhaus entscheiden, damit verbunden bleiben und es überdurchschnittlich häufig empfehlen. Dann setzt das Krankenhaus in der Gesundheitsversorgung Maßstäbe und ist mit großer Wahrscheinlichkeit zukunftsfähig. Häufig stehen diese Parameter im engen Zusammenhang mit hoher Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus.

Im Zuge einer notwendigen Neuausrichtung haben es Krankenhäuser in den nächsten 15 Jahren mit komplexen Anforderungen zu tun, wie z. B. Health@Home, der demografischen Entwicklung, steigendem medizinischen Bedarf, digitalisierten Lösungen auf allen Ebenen, sektorenfreier Versorgung, möglicher Konzentration und Spezialisierung von Leistungen, mindestmengenrelevanten Leistungen und eklatantem Personalmangel. Mit bisherigen Einstellungen, Strukturen und Mitteln sind diese Anforderungen für Krankenhäuser kaum mehr zu bewerkstelligen.

“The Scottish government, the Convention of Scottish Local Authorities and NHS Scotland see digital technology as a critical enabler for improving health and care. The 2018 Digital Health and Care Strategy for Scotland seeks to empower citizens to manage their own health, live independently and access services through digital means, and also to put in place the architectural and information governance ‘building blocks’ necessary for the effective flow of information across the whole care system.”2

Mit Kundenzentrierung zur stärkeren Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus

In Anbetracht der Entwicklungen werden diejenigen Einrichtungen eine hohe Wettbewerbsfähigkeit erreichen, die über konsequente Kundenzentrierung nicht nur Patienten als Kunden betrachten und behandeln, sondern auch Mitarbeiter, Einweiser und Belegärzte mit hoher Priorität als Kunden im Fokus haben.

Gelingt es Krankenhäusern, dass sich ihre Kunden in außergewöhnlicher Anzahl für die Häuser engagieren und tief mit ihnen verbunden sind, steigt die Wahrscheinlichkeit stark an, wettbewerbsfähiger zu sein als die Einrichtungen, denen dies weniger gelingt, was sich immer positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses auswirkt.3

Zukunftsorientierte Krankenhäuser richten ihre Struktur und Leistungen daher zunehmend auf diese drei Kundengruppen und ihre jeweiligen Bedürfnisse aus. Mit dem Ansatz der Kundenzentrierung können sie dann gezielte Maßnahmen umsetzen, die helfen, ihre eigenen Leistungspotenziale erfolgreich auszuschöpfen und eine moderne, leistungsfähige Gesundheitsversorgung zukünftig überhaupt erst wirtschaftlich zu ermöglichen. Denn was wäre, wenn sich die Fallzahlen durch hohe Wettbewerbsintensität auf ein niedriges Niveau einpendeln oder Personal für Versorgungsleistungen fehlt oder dafür zu gering qualifiziert ist?

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Hierarchische Strukturen und Führungsverhalten überprüfen, um Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus zu steigern

Eine Achillesferse deutscher Versorger bei einer fokussierten Weiterentwicklung in Richtung Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit sind oftmals starke hierarchische Strukturen, in denen in erster Linie chefarztgeführte Fachabteilungen oftmals autoritär geführt und Silostrukturen bewahrt werden.

Solch ein in Krankenhäusern oftmals verankertes Führungsverhalten erschwert notwendige Anpassungen an reale Entwicklungen. Denn der Weg in die Wettbewerbsfähigkeit wird über die Meilensteine kundenzentriert, prozessorientiert und sektorenfrei erfolgen. Prozessoptimierung, Change Management und Krankenhausmanagement haben in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit und eine damit einhergehende Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus.

Das Ziel einer kundenzentrierten und prozessorientierten Organisation ist es, abteilungsübergreifend zusammengehörende Abläufe zu identifizieren und zu einer intensiven Zusammenarbeit zu führen, um medizinische Leistungen, Services und Wissen zu verbessern und Leistungen erfolgreich skalieren zu können. Dies schließt bisher verankerte ambulante und stationäre Sektorengrenzen ein.

Mit ausgeprägten hierarchisch isolierten Abteilungssystemen ist die notwendige Form von konstruktiver und systematischer Zusammenarbeit, Motivation und Weiterentwicklung erfahrungsgemäß schwer zu erreichen. Dies hat sich in anderen Branchen schmerzhaft gezeigt. Abbildung 2 zeigt Auswirkungen autoritärer Einflüsse: Sie begrenzen die Effektivität des Handelns und der persönlichen Weiterentwicklung in Teams.4

Abbildung: Konsequenzen von Einflussnahme und Machtausübung von Führungskräften auf die Effektivität:

Wirtschaftlichkeit Krankenhaus

Weltweit bekannt wurde in diesem Zusammenhang das Konzept für Hochleistungsteams „Psychologische Sicherheit“ durch ein Forschungsprojekt von Google. In der Studie wurden über 180 Teams im Unternehmen untersucht, um Hintergründe dauerhaft ergebnisstarker Hochleistungsteams in der sich verändernden Arbeitswelt komplexer Leistungen zu untersuchen.

Das Ergebnis war überraschend: Nicht die Zusammensetzung von Teams, Diversität oder Intelligenz der Mitglieder war entscheidend. Entscheidend waren die Art und Weise, wie sie miteinander umgingen und zusammenarbeiteten – d. h., wie sie geführt wurden und welche Kultur sich in den Teams etablierte.5

Diese Kundengruppen müssen (wieder) intensiver gewonnen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus zu steigern

Der Weg zu einer tatsächlich gelebten Kundenzentrierung in Krankenhäusern ist nicht einfach und die Umsetzung notwendiger Maßnahmen stößt erfahrungsgemäß auf interne Widerstände.

Die Auswirkungen bisher fehlender Anpassungen auf reale Entwicklungen auf Kunden- und Branchenseite sind daher wenig überraschend. Denn fehlende Veränderungen haben entscheidende Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und das Vertrauen der jeweiligen Kundengruppen, da Bedürfnisse und Entscheidungskriterien bekanntermaßen nicht nur medizinischer Natur sind:

Kundengruppe Personal:

  • Studierende Mediziner und junge Ärzte empfinden, dass sich die handelnden Hauptakteure in Krankenhäusern hinsichtlich fester hierarchischer Strukturen und autoritärer Führungskulturen bisher wenig verändert haben.6
  • Die Veränderungsfähigkeit in Krankenhäusern wird auch für weitere wichtige Kriterien von jüngeren Generationen infrage gestellt: vertrauensvolles Teamworking, gemeinsames Werteverständnis, persönliche Weiterentwicklung und die Planbarkeit der Dienste. Sie werden in den Häusern als wenig zeitgemäß und effektiv empfunden.7
  • Nachwuchsärzte möchten immer weniger im klassischen Stil arbeiten. Junge Ärzte bevorzugen Teilzeitmodelle und wünschen sich eine stärkere multiprofessionelle Zusammenarbeit.8
  • Von rund 420.000 Ärzten stehen 80.000 Ärzte unmittelbar vor dem Ruhestand, nur 10.000 Ärzte rücken jährlich von den Universitäten nach.9
  • 36 % der jungen Ärztinnen und Ärzte denken über einen Berufswechsel nach.10
  • Nur 42 % der Pflegekräfte würden einem jungen Menschen zu diesem Beruf raten.11
  • Bis 2030 fehlen rund 500.000 Pflegekräfte.12

Kundengruppe Patienten:

  • Patienten gehen immer weniger ins nächstgelegene Krankenhaus. Die entscheidende Frage, die sich Patienten stellen: „Kann ich dem Arzt, kann ich dem Krankenhaus trauen?“ Laut einer Befragung im Auftrag des SWR hat mehr als ein Drittel der Deutschen kaum oder gar kein Vertrauen in Krankenhäuser.13
  • Patienten recherchieren vor dem Aufenthalt nach dem Image des Krankenhauses, nach fachlicher Expertise, Indikationskompetenz und Verhalten auf Augenhöhe, Qualitäten bei Diagnosen, Behandlungen und Therapien, Ausstattung, Service und Empfehlungen. Hauptinformationsquellen sind mit Abstand Haus- und Fachärzte (Einweiserempfehlungen), dann folgen das persönliche Umfeld und das Internet.14
  • Nach dem Aufenthalt sind eigene Erfahrungen bezüglich Vertrauen, Patientenbeteiligung, Qualität, Empathie, Verbundenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Klinikkultur, gefühlter Sicherheit und die Atmosphäre prägende Beeinflussungsfaktoren.15 Dabei nehmen Erfahrungen und Wissen auf Patientenseite durch digitale Informations- und Sensorik-Systeme immer mehr zu.

Kundengruppe Einweiser und Belegärzte:

  • Einweiser und Belegärzte reagieren vorwiegend auf eigene Erfahrungen, auf Feedbacks ihrer Patienten und auf Reaktionen und Informationen des kollegialen Umfelds.
  • Daraus entstehen beeinflussende Kriterien für die Wahl von Krankenhäusern: Image des Krankenhauses, Bekanntheit und Reputation, medizinisches Leistungsangebot, Kommunikation und Kooperation, Einweisungs- und Entlassungssituation, Dokumentation/Berichtswesen, krankenhausinterne Prozesse wie OP-Planung und Diagnostik, Zufriedenheit mit der Krankenhausinfrastruktur, reibungslose Schnittstellen und zügige Abstimmungsprozesse (z. B. Erreichbarkeit, Rückmeldungen bei Entlassungen).16
 

Sicherlich sind die nicht so positiven Ergebnisse auch dem Umstand geschuldet, dass zahlreiche Initiativen des Gesetzgebers wenig Veränderungen erreicht und ein häufig negatives Medienecho erzeugt haben. Unbestritten ist jedoch, dass ausgeprägte Beharrungstendenzen in Führungs- und Fachetagen der Einrichtungen zu wenig positiven Wirkungen für die Branche und beim Personal geführt haben. Hier ist es die Aufgabe der jeweiligen Einrichtung, mit konkreten Ansätzen im Krankenhausmarketing, Prozessoptimierung, Change Management und Krankenhausmanagement anzusetzen.

Kundenzentrierung und deren ökonomische Auswirkungen auf eine erhöhte Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus

Erfolgreich umgesetzte Kundenzentrierung wurde seit den 1990er-Jahren in ihren Auswirkungen in vielen Branchen intensiv untersucht. Eine wichtige Erkenntnis war: Kundenzentrierung bedeutet nicht nur, Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu betrachten, sondern die Kundenbeziehung an sich aktiv zu gestalten. Eine Beziehung entwickelt sich in folgenden Stufen:17

Abbildung: Wie Kundenbindung zum wirtschaftlichen Vorteil wird:

Wirtschaftlichkeit Krankenhaus

Die Grafik verdeutlicht, dass Patienten, Mitarbeiter, Einweiser und Belegärzte einen Prozess durchlaufen, der durch Krankenhäuser direkt beeinflusst werden kann, sodass wirtschaftlicher Erfolg im Krankenhaus exponentiell wachsen kann.18

Die Wirkungskette bis zur Kundenbindung ist eine psychologische Entwicklung und mündet in hohem Vertrauen, einem der wichtigsten Werte und Entscheidungskriterien bei Kunden.19

Grundsätzlich zeigen theoretische und empirische Ergebnisse, dass die Qualität von Kundenbeziehungen in erheblichem Maß den Erfolg und die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen beeinflusst: z. B. deren Wachstum, Auslastung, Profitabilität, Unternehmenswert, Attraktivität und Anziehungskraft für Kundengruppen:20

Beispiel ökonomischer Auswirkungen von Kundenzentrierung für Patienten, Einweiser, Belegärzte:

  • Fallzahlen steigern: Krankenhäuser mit dem höchsten Anteil sehr zufriedener Kunden können einen Anstieg der Fallzahlen von bis zu 30 Prozent verzeichnen und wachsen viermal so schnell wie Krankenhäuser mit dem höchsten Anteil an unzufriedeneren Kunden. Diese Gruppe verzeichnete einen durchschnittlichen Fallzahlrückgang von 17 Prozent.21
  • Wertsteigerung je Kunde: Kunden, die Vertrauen in Leistungen, Ansprechpartner und Einrichtungen sowie Kenntnisse über vorhandene Krankenhausleistungen haben, nehmen mehr Leistungen in Anspruch und sprechen deutlich mehr Empfehlungen in ihrem Umfeld aus.22
  • Kosteneinsparungen: Beratungen und Service für neue Kunden dauern bis zu 2-mal länger und verursachen höhere Prozesskosten. Die durchschnittlichen Kostenunterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Aufenthalt belaufen sich z. B. bei DRG 209 (Kniegelenkersatz) pro Fall auf $ 629 und bei DRG 371 (Sektio) pro Fall auf $ 647. Darüber hinaus benötigen wiederkommende Patienten oder Belegärzte weniger Unterstützung im Krankenhaus und verursachen weniger unvorhergesehene Aufwände und Kosten.23
 

Ökonomische Auswirkungen von Kundenzentrierung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzeugen ähnliche vorteilhafte Effekte, da Patienten, Belegärzte und Einweiser grundsätzlich eine positive und vertrauenswürdige Beziehung zum Personal wünschen. Sie erwarten Fachkompetenz, Interesse, Verständnis, Zuvorkommenheit und Empathie, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufbauen zu können.24

Zudem kommuniziert sehr zufriedenes Personal positiv, konstruktiv und empfiehlt überdurchschnittlich häufig den eigenen Arbeitgeber an Freunde, Bekannte und das Umfeld weiter.

Darüber hinaus sind mit motiviertem Personal und hoher Mitarbeiterbindung deutliche Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen durch geringere Fluktuation, weniger Einarbeitungen, routinierte Prozessabläufe und Wissenssicherung für Krankenhäuser möglich.

Voraussetzung für Krankenhaus-Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit: hohe Leistungsqualität

Am Horizont der Erwartungen stehen bereits Anforderungen zur Messung tatsächlicher Leistungsqualität einer Einrichtung. In naher Zukunft wird die Qualitätsfrage von Versorgungsleistungen daher sicherlich ein weitaus höheres Gewicht bekommen. Die zentralen Treiber für Veränderungen in diese Richtung sind durch demografische Entwicklungen eine stark zunehmende Anzahl an notwendigen medizinischen Leistungen, verändertes Personal- und Patientenverhalten sowie extreme Fortschritte bei Innovation und Digitalisierung, welche sich direkt in der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus widerspiegeln werden.

Die entscheidende Frage wird z. B. nicht nur sein, ob beim Regionalversorger im Ernstfall ein Facharzt, das Personal oder notwendiges technisches Equipment auch tatsächlich verfügbar sind und bedient werden können. Es wird zunehmend betrachtet werden, ob geringe Fallzahlen auch mit durchschnittlicheren Behandlungsergebnissen und höheren Ressourcenaufwänden in Verbindung stehen.

Stellvertretend dafür eine Presseerklärung des AOK-Bundesverbandes:

„… und die AOK plädieren zudem dafür, dass die Ergebnisqualität künftig eine stärkere Bedeutung für die Versorgungsplanung bekommen sollte: Wir sprechen uns gemeinsam dafür aus, dass die Messung und Veröffentlichung der Ergebnisqualität künftig systematisch, flächendeckend und auf Basis internationaler Standards verpflichtend eingeführt wird … Einigkeit bestehe zudem darüber, dass Mindestmengen die Ergebnisqualität positiv beeinflussen und ausgeweitet werden sollten.“25

Um hohe Leistungsqualität gewährleisten zu können, sollten Krankenhäuser ihre bisherigen Strategien, Kulturen, Strukturen und ihr Marketing überprüfen. Denn die bisher eher marginal vorgenommenen Anpassungen wie ambulante Angebote, Erwerb von MVZs und vereinzelte Kooperationen werden kaum ausreichen.

Sechs Handlungsfelder für Krankenhäuser

Bewegungen im Markt und die Arbeit mit unseren Kunden zeigen, dass sich besonders sechs Handlungsfelder ergeben haben, die sich stark auf die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus auswirken.

1. Stärken, Kompetenzen und Kernleistungen definieren und ausbauen: Welche Stärken und Leistungsqualitäten sind vorhanden und können ausgebaut werden? Welche fehlen, haben aber regional, national oder international Potenzial und könnten ausgebaut werden? In welchen Bereichen soll eine hohe Reputation erreicht werden? Welche Rolle soll das Krankenhaus im Ökosystem einnehmen? Soll ein kleiner, lokaler Gesundheits-Hub geformt werden, ein professionelles Gesundheitsnetzwerk entstehen oder ein auf komplexe Krankheitsbilder spezialisierter Maximalversorger entwickelt werden?

2. Tragfähige Kooperationen bilden und starke Leistungsfähigkeiten entwickeln: Bestehende Leistungslandschaft analysieren, regionale und überregionale Krankenhausnetzwerke unterschiedlicher Versorgungsstufen bilden und strategische Kooperations-, Fusions- und Integrationsverträge abschließen – mit garantierter Patientenversorgung. Ziel: ein Netzwerk, in das Maximal- und Spezialversorger und/oder in dem integrierte Versorgungszentren für die Primär- und Langzeitversorgung eingebunden sind: ambulant, stationär, poststationär, inkl. Reha-Einrichtungen und Apotheken.

3. Neue Formen der Zusammenarbeit nutzen und multiprofessionelle Teams bilden: Professionelle Leistungserbringung durch analoge und digitale Formen der Zusammenarbeit mit multiprofessionellen Teams aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen ausbauen. Im OP-Bereich wird diese Möglichkeit bereits häufiger genutzt: über Zuschaltung von Experten, gemeinsame Behandlungen, Beratungen etc. Auch in der Team-, Prozess- und Weiterbildung wäre es möglich, z. B. über Augmented-Reality-Systeme, die gemeinsame Leistungsfähigkeit und -qualität über Trainings in multiprofessionellen Teams unabhängig vom Ort zu erhöhen.

4. Eine funktionale Organisation in eine prozessorientierte Organisation führen: In Organisationen anderer Branchen gibt es hinsichtlich Zusammenarbeit, Effizienz, Innovations- und Veränderungsfähigkeit, kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, Verantwortungsübernahme, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit bereits intensive und langjährige Erfahrungen zu den Vorteilen einer prozessorientierten Organisation. Die in Kliniken noch dominierende funktionale Organisation aus chefarztgeführten Fachabteilungen fördert abteilungsübergreifende, zusammengehörende Abläufe bisher wenig oder gar nicht. Eine funktionale Organisationsform mit einer einhergehenden Klinikkultur wird spätestens bei der Etablierung notwendiger Kooperationen (vgl. Pkt. 2) und neuer Formen der Zusammenarbeit (vgl. Pkt. 3) an enge Grenzen stoßen.

5.Kundenzentrierung als wesentlichen Erfolgsfaktor zum strategischen Thema machen und umsetzen: Ein Krankenhaus mit gelebtem Kundenfokus betrachtet nicht nur Patienten als Kunden, sondern auch Mitarbeiter, Einweiser und Belegärzte. Agiert ein Krankenhaus auf diesem Gebiet mit überdurchschnittlichen Ergebnissen, kann es als exzellent, wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich eingestuft werden. Gelebte Kundenzentrierung beginnt mit intern veränderten Einstellungen, Verhaltensweisen und Abläufen zu einer etablierten Wertekultur und wird über professionelle Omni-Channel-Aktivitäten extern vom Krankenhaus fortgeführt.

6. Professionelle Führung und Weiterentwicklung als Tool in den Führungsebenen etablieren: Zukünftige Anforderungen sind mit klassischen Vorstellungen von Führung, Zusammenarbeit und Weiterentwicklung kaum mehr erfolgreich erfüllbar. Kundenorientiertes, hybrides und digital breit vernetztes Arbeiten mit neuen Leistungen und erweiterten Teams benötigt eine andere Kultur der Interaktion und Kooperation als die bestehende abteilungs- und hierarchisch geprägte Krankenhauswelt. Moderne Führungsansätze verbinden diese Anforderungen zu einer Sichtweise und Handlung.

Abbildung: Neue Rollen im Gesundheitssystem – der Ausgang ist noch offen:

Wirtschaftlichkeit Krankenhaus
Experten Kommentar

Entwicklungen, die wettbewerbsfähige Kliniken weiterbringen werden

„Wir sehen: Wenn Krankenhäuser die Herausforderungen annehmen und die Zukunft angehen wollen, benötigen sie ein gewisses Maß an gefühlter Planungssicherheit, um veränderungsbereit zu sein. Dazu zwei Entwicklungen, die für die sechs Handlungsfelder sprechen und Mut zur Veränderung machen sollten.

Kundenzentriert, prozessorientiert, sektorenfrei

Am 1. April 2022 wurden Vorschläge für die Erweiterung des Katalogs ambulant durchführbarer Operationen (AOP) veröffentlicht. Dies weicht die explizit stationäre fachärztliche Versorgung in Krankenhäusern auf und verstetigt einen unwiderruflichen Trend, der seit Covid Einzug gehalten hat: der Wegfall bisher klassischer Krankenhausleistungen, die sich immer mehr im ambulanten Bereich wiederfinden.

Darüber hinaus ist in dem Koalitionsvertrag verankert, dass sektorenübergreifende Vergütungsmodelle mit Hybrid-DRGs in den Vordergrund rücken sollen. Das macht ambulante Leistungen für Krankenhäuser attraktiver, unterstreicht aber auch die Notwendigkeit von z. B. ambulanten OP-Strukturen.

Krankenhäuser und andere Versorger sind keine Kostenverursacher – sie stellen wirtschaftliches Wachstum sicher.

Die Erkenntnis, dass Gesundheit, Wohlbefinden und Vertrauen in kompetente und leistungsfähige Versorger wichtige Stützen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität sind, setzt sich weltweit immer mehr durch – auch in der Politik. Dazu tragen internationale Studien in erheblichem Maße bei.

Anerkannte Studien heben hervor, dass eine intakte und leistungsfähige Landschaft an professionellen Leistungserbringern mit hoher Ergebnisqualität sogar wirtschaftliches Wachstum hervorrufen kann.

In einer Studie vom McKinsey Global Institute wurden dafür Berechnungen mit folgenden Annahmen getroffen (Ausschnitt):26 Durch Investitionen in eine fortschrittliche und wirkungsvolle Gesundheitsversorgung …

  • … nimmt die Anzahl beschäftigter Menschen zu, die bisher dazu nicht in der Lage waren.
  • … können familiäre Pflegekräfte, die sich nicht mehr oder später um ihre Angehörigen kümmern müssen, am Berufs- und Freizeitleben intensiver teilnehmen.
  • … kann der allgemeine Gesundheitszustand in der Bevölkerung verbessert und damit die Produktivität sowie das BIP gesteigert werden.
  • … kann ermöglicht werden, dass gesundheitlich betroffene Schüler und Jugendliche resistenter, vitaler und leistungsfähiger zu besserer Bildung, Abschlüssen und späteren Berufen kommen.

Fazit: Für jeden Dollar, der in die Verbesserung der Gesundheit investiert wird, ist grundsätzlich ein wirtschaftlicher Gewinn von $ 2 bis $ 4 (= +100 % bis +300 %) möglich. In einkommensstarken Ländern wie Deutschland wäre der prognostizierte Gewinn dreimal so hoch.

Kern dieser Annahmen sind erfolgreiche Veränderungen im Gesundheitssystem, wie wir sie zuvor angedeutet haben: Fokus auf Prävention, neues Verständnis von Gesundheitsversorgung, Gesundheitssysteme umgestalten, Gesundheit auf die Tagesordnung setzen, Innovationen nutzen.“

EXPERTE

DR. MATHIAS EHRHARDT – GESCHÄFTSFÜHRER

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Quellen:

  1. Wiesing, Urban (7. Juni 2013): Chancen und Grenzen der ökonomisierten Chirurgie – Eine ethische Betrachtung, Festvortrag anlässlich der 191. Tagung der Vereinigung nordwestdeutscher Chirurgen
  2. The Health Foundation (Juni 2021): How do we get the best out of automation and AI in health care?
  3. Smidt, W., Marzian S.H. (2001): Brennpunkt Kundenwert
  4. Scholl, W. (2004): Soziale Interaktion. Wie in Unternehmen neues Wissen und Handlung produziert wird.
  5. Goller, Ina (2018). Psychologische Sicherheit in Unternehmen: Wie Hochleistungsteams funktionieren.
  6. Heiß, Tanja, et. al (2019): Generation Hashtag. Managementwandel im Gesundheitswesen.
  7. vgl. ebenda.
  8. Robert Bosch Stiftung (21. Mai 2021): Pressemeldung
  9. Ärzteblatt (9. Mai 2022): Bundesärztekammer warnt vor Ärztemangel
  10. Hartmannbund (30. Apr. 2021): Assistenzarzt-Umfrage 2021 – Arbeitsbedingungen, Ökonomisierung und Digitalisierung
  11. Tagesspiegel (12. Sept. 2017): Pflege nur ganz am Rande
  12. Ärzteblatt (12. Okt. 2021): „Wir wissen, dass 2030 circa 500.000 Pflegekräfte fehlen werden“
  13. H&C Management (28. Jan. 2020): Ein Drittel vertraut Krankenhausbehandlung nicht.
  14. Peters-Alt, Janet (2018): Patientenloyalität
  15. vgl. ebenda
  16. BrainersHub (2021): Data on file
  17. Bruhn, M., Homburg, C. (2017): Handbuch Kundenbindungsmanagement
  18. Sauerwein, Elmar (2000): Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit
  19. Grossmann, K., Grossmann, K.E. (2021): Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit
  20. Bruhn, M., Homburg, C. (2017): Handbuch Kundenbindungsmanagement
  21. Peters-Alt, Janet (2018): Patientenloyalität
  22. Smidt, W., Marzian, S. H. (2001): Brennpunkt Kundenwert
  23. Peters-Alt, Janet (2018): Patientenloyalität
  24. Ruprecht, T. (2001): Patientenerfahrungen als Qualitätsindikator
  25. AOK Bundesverband (24. Aug. 2021): Pressemitteilung
  26. McKinsey Global Institute (July 2020): Prioritizing Health. A prescription for prosperity